• Android 12: Neues Feature „Camera Switches“ soll Smartphone-Steuerung revolutionieren

    Die Smartphone-Technologie entwickelt sich rasant. Die marktbeherrschenden Entwickler der Betriebssysteme, Google und Apple, liefern sich dabei meist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ob iOS oder Android bleibt für User eher eine Glaubensfrage.

    Jetzt hat Google für das neue Update Android 12, das bislang nur in der Beta-Version verfügbar ist, ein neues Feature entwickelt, das spannend werden könnte. „Camera Switches“ heißt das Tool, das den XDA-Developers ins Auge gefallen ist und das es möglich machen soll, das Smartphone mit dem Gesicht zu steuern. Künftig könnte ein bestimmter Gesichtsausdruck ausreichen, um ein Menü zu öffnen oder zum Startbildschirm zurückzukehren. Damit möchte Google die Steuerung seiner Smartphone-Software offenbar noch innovativer gestalten und einen Ausgleich dafür schaffen, dass das Unternehmen vor kurzem ankündigte, ältere Android-Versionen künftig deutlich weniger zu unterstützen.

    Ist das neue Tool für die Smartphone-Steuerung nur eine nette Spielerei, oder könnte es für den User tatsächlich interessant werden?



    Foto: In der neuen OS-Version Android 12 wird es das neue Camera Switch Feature geben. Bildquelle: Pixabay

    Direkteingaben bleiben Handarbeit

    Die weniger gute Nachricht gleich vorweg: Die Gesichtssteuerung beschränkt sich auf einige grundlegende Funktionen. Viele Details bleiben Handarbeit oder der Sprachsteuerung überlassen.

    Gamer werden das neue Feature beispielsweise nur begrenzt nutzen können. Komplexe Spielfunktionen können über „Camera Switches“ bislang nicht abgebildet werden. Das gilt sowohl für klassische Handyspiele als auch für den Besuch im Online-Casino über das mobile Endgerät. User, die beispielsweise Bonus Codes eingeben möchten, können mit dem neuen Feature zwar an die passende Stelle steuern, die Eingabe einzelner Codes erfolgt aber weiterhin händisch oder per Sprachsteuerung, soweit dies möglich ist.

    Auch Direkteingaben in Login-Masken oder Bestellformulare erfordern mehr als ein freundliches Lächeln. Ist ein Formular bereits ausgefüllt, kann möglicherweise ein mimisches Signal ausreichen, um die Eingabe zu bestätigen. Sich ständig verändernde Eingaben, wie zum Beispiel beim Online-Shopping oder beim Trading via App, werden weiterhin manuell eingegeben. Je nach Anpassung der Gesichtssteuerung kann es aber möglich werden, per Gesichtsausdruck an die passende Stelle in der Eingabemaske zu scrollen, während des Shoppings neue Nachrichten abzurufen oder auf bereits hinterlegte Adress- und Zahlungsinformationen zuzugreifen. So könnte „Camera Switches“ als neue Steuerungsoption vor allem in Kombination mit der Sprachsteuerung zu einem interessanten Zusatzfeature werden, um beispielsweise beim Kochen die Hände freizuhalten.


    So könnte die neue Steuerung aussehen

    Da Android 12 bisher nur in der Beta-Version vorliegt, sind noch nicht alle Details des neuen Features bekannt. Klar ist allerdings, dass die Front-Kamera des Smartphones genutzt wird, um Gesichtsausdrücke einzufangen und diese in zuvor festgelegte Steuerungsbefehle zu übersetzen.

    Damit „Camera Switches“ genutzt werden kann, muss die Front-Kamera ständig aktiviert bleiben. Aus Sicherheitsgründen bleibt auf allen aktiven Bildschirmen eine Benachrichtigung eingeblendet, die dem User mitteilt, dass die Front-Kamera gerade aktiv ist. Diese Einblendung soll verhindern, dass die Kameraaktivität in Vergessenheit gerät, damit die Privatsphäre geschützt bleibt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, die Empfindlichkeit der Kamera anzupassen. Hier wird vor allem die praktische Anwendung zeigen, welche Einstellungen richtig sind, um zu verhindern, dass das Tool nicht jeden zufälligen Gesichtsausdruck gleich als Steuerungssignal verarbeitet.

    Über die neue Funktion werden eindeutige Gesichtseindrücke eingefangen, die verschiedenen Gesichtspartien einbeziehen, insbesondere die Augen, die Augenbrauen und den Mund. Ersten Einblicken zufolge sind typische Steuerungssignale zum Beispiel das Öffnen des Mundes, ein eindeutiges Lächeln, das Hochziehen der Augenbrauen oder ein gezielter Blick der Augen nach rechts, links oder oben. Damit die Gesichtssteuerung genutzt werden kann, sind eindeutige und klar zu erkennende Signale erforderlich, die die Kamera zweifelsfrei zuordnen kann. Die Auswahl an mimischen Signalen, die das Tool erkennt und umsetzt, ist somit noch relativ begrenzt:

    Um „Camera Switches“ für das eigene Smartphone einzurichten, ist zunächst eine Aufnahme des jeweiligen Gesichtsausdruckes über die Front-Kamera erforderlich. Anschließend können die Signale dem jeweiligen Befehl zugewiesen werden. So könnte ein Lächeln die Einstellungen öffnen oder neue Nachrichten abrufen, mit dem Öffnen des Mundes könnte der Startbildschirm erreicht oder eine bestimmte App geöffnet werden. Naheliegend ist auch eine Scroll-Bewegung, die durch die entsprechende Blickrichtung der Augen gesteuert wird.

    Diese Steuerungsbefehle lassen sich bisher über „Camera Switches“ umsetzen:

    • Pause Camera Switch
    • Toggle auto-scan (disabled)
    • Reverse auto-scan
    • Select
    • Next
    • Previous
    • Touch & hold
    • Scroll forward
    • Scroll backward
    • Home
    • Back
    • Notifications
    • Quick Settings
    • Overview

    (Quelle: www.android-user.de)

    Ein Manko des neuen Features könnte in der starken Belastung des Akkus liegen. Wenn die Front-Kamera dauerhaft aktiv ist und Gesichtsausdrücke einfängt, dürfte die Leistung hier spürbar in die Knie gehen.


    Mehr Barrierefreiheit durch „Camera Switches“

    Barrierefreiheit bei der Smartphone-Nutzung ist für Google schon lange ein Thema. Mit umfangreichen Bedienungshilfen sind Android-Geräte auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen ein praktischer Alltagsbegleiter. So ist zum Beispiel die Aktivierung einer TalkBack-Brailletastatur möglich. Auch die Steuerung des Gerätes über gesprochenes Feedback ist bereits sehr weit entwickelt.

    In diesem Zusammenhang könnte das Feature des neuen Android 12 Updates eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Wenn Nutzer beispielsweise eine körperliche Beeinträchtigung haben, die sie die Kombination aus Berührungen und Sprachsteuerung nicht vollumfänglich ausschöpfen lässt, könnte „Camera Switches“ eine Lücke in der barrierefreien Nutzung schließen.

    Bisher ist die Nutzung von Gesichtsausdrücken zur Smartphone-Steuerung auch schon über separate Anwendungen möglich, wie zum Beispiel über das Tool „Look to speak“, das die Bewegungen der Augen in Steuerungsbefehle übersetzt.


    Neues Feature auch für Android 11 nutzbar

    Mit Spannung wird das Update für Android 12 erwartet. 2020 kam die aktuelle Version Android 11 auf den Markt, die bereits einige Neuerungen im Gepäck hatte. Bislang wurde für Android 12 nur die Beta-Version veröffentlicht. Am 11. August ging ihre vierte Version online. Branchenkenner erwarten den Release der offiziellen Version ungefähr im September 2021.

    Allerdings wird nicht jedes Smartphone von Anfang an auf das neue Update zugreifen können. Es hängt vom Anbieter ab, ob und zu welchem Datum Android 12 verfügbar sein wird. Wer trotzdem gespannt auf die neuen Möglichkeiten von „Camera Switches“ ist, darf sich freuen: Die Gesichtssteuerung ist wahrscheinlich nicht erst mit dem neuen Update verfügbar sein, sondern könnte auch schon unter Android 11 funktionieren. User müssen dafür nur das aktuelle Android Package (APK) der Google-Tools zur Barrierefreiheit für das Smartphone herunterladen und installieren. Auf das offizielle Tool als Download im Google Play Store müssen Nutzer allerdings noch warten.