In den späten 90ern gab es zwei Arten von Menschen: Die einen hatten ein Nokia 3210 – und die anderen hatten… ein Sagem. Während der eine Teil der Menschheit Snake spielte und sich unbesiegbar fühlte, klickten sich die anderen durch kryptische Menüstrukturen auf pixeligen Displays mit Antennen, die aussahen wie verkleidete Zahnstocher. Doch obwohl Sagem nie zur ersten Liga der Handyhersteller gehörte, haben die Franzosen einige Modelle gebaut, die man heute mit einem liebevollen Augenzwinkern als „retro-kultig“ bezeichnen kann. Höchste Zeit also, ein kleines Denkmal zu setzen.

Was wurde eigentlich aus Sagem?

Wer heute ein altes Sagem-Handy in der Schublade findet, fragt sich oft: Gab’s die Marke eigentlich länger als eine Wahlperiode? Tatsächlich war Sagem nicht nur ein Handyhersteller, sondern ein breit aufgestellter Technologiekonzern mit Sitz in Frankreich. Die Firma stellte unter anderem Telekommunikationstechnik, Faxgeräte und sogar Ausrüstung für den militärischen Bereich her.

Ab 2005 kam der Bruch: Sagem fusionierte mit dem Triebwerkshersteller SNECMA zum Luft- und Raumfahrtkonzern Safran, der bis heute aktiv ist. Das Mobilfunkgeschäft wurde ausgelagert und lief fortan unter dem Namen Sagem Wireless weiter. Doch die Konkurrenz durch Nokia, Sony Ericsson und Samsung war erdrückend – und das Unternehmen konnte trotz guter Ideen nicht mithalten.

Im Jahr 2011 war endgültig Schluss mit der Handyproduktion. Das Unternehmen versuchte noch kurzzeitig, unter dem Markennamen Sagemcom auf dem Markt für Kommunikationslösungen Fuß zu fassen – allerdings nicht mehr im Endkundensegment.

Zusammengefasst:

  • Ursprünglich ein breit aufgestellter französischer Technologiekonzern
  • Handy-Sparte war vor allem in Europa und Nordafrika verbreitet
  • 2005 Fusion mit SNECMA zu Safran
  • Mobilfunkgeschäft ausgelagert → Sagem Wireless
  • 2011: Rückzug aus dem Handy-Markt
  • Heute lebt die Marke nur noch in Form von nostalgischen Gerätesammlungen und vereinzelten Sagem-Routern weiter

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Bild: So sah Mobilfunk in den 90ern aus. Die Sagem-Handys dieser Ära waren klobig, zuverlässig und heute echte Retro-Klassiker.

Die kultigsten Sagem Handys aus den 90ern und frühen 2000ern

1. Sagem RC 815 (ca. 1997) – Der Ziegelstein unter den Handys

Das RC 815 war eines der ersten massentauglichen Handys von Sagem – ein klobiges Gerät mit externer Antenne, monochromem Display und Tasten, bei denen man nie aus Versehen zwei gleichzeitig drücken konnte. Die Form erinnerte an einen TV-Fernbedienungshalter mit eingebautem Vibrationsalarm, und das Design hätte auch gut als Polizeifunkgerät durchgehen können. Aber: Wer es hatte, konnte telefonieren. Punkt. Und das zu einer Zeit, in der das schon als Hightech galt.

Ein Feature war besonders erwähnenswert: Die Sprachqualität war erstaunlich gut – zumindest für ein Gerät, das mehr nach Akkubohrer aussah als nach Mobiltelefon. Der Akku war ein echter Klotz, dafür hielt er locker eine Woche durch – es sei denn, man kam auf die absurde Idee, länger als 30 Minuten am Stück zu telefonieren.

Warum das RC 815 heute Kultstatus hat:

  • Externe Antenne zum Ausziehen – perfekt für den 90er-Agentenlook
  • Akkulaufzeit von mehreren Tagen, wenn man nicht dauernd Snake spielte (ging eh nicht)
  • Schwer, groß, zuverlässig – wie ein französischer Panzer in Handyform

2. Sagem MC 939 (ca. 1999) – Der „Beinahe-Schickling“

Mit dem MC 939 versuchte sich Sagem erstmals an einem „Design-Handy“ – zumindest im Rahmen der damaligen Möglichkeiten. Das Gerät war schlanker, hatte abgerundete Ecken und wirkte nicht mehr wie ein Notruftelefon aus einem Kernkraftwerk. Es verfügte über ein invertiertes Display mit heller Schrift auf dunklem Hintergrund – eine kleine Sensation in einer Zeit, in der die meisten Displays leuchteten wie ungekochte Erbsen.

Das Menü war deutlich besser strukturiert als bei den Vorgängern, die Tasten hatten einen spürbaren Druckpunkt und erstmals war es möglich, individuelle Klingeltöne zu komponieren – ein Feature, das bei Jugendlichen für regelrechte Wettbewerbskämpfe im Musikunterricht sorgte. Wer „Smoke on the Water“ als Sagem Klingelton hatte, war damals in etwa so cool wie jemand mit einem Alcatel Handy mit Wechselcover.

Besondere Merkmale, die das MC 939 legendär machten:

  • Design-Upgrade mit deutlich weniger Ziegelstein-Feeling
  • Benutzerfreundliches Menü – ja, wirklich!
  • Klingelton-Komponierer: Kreatives Chaos auf 12 Tasten

3. Sagem MY X-5 (ca. 2003) – Fast modern, aber typisch Sagem

Im neuen Jahrtausend wollte Sagem endlich ganz vorne mitspielen. Das MY X-5 sollte die Antwort auf die farbigen, stylishen Geräte von Nokia, Samsung & Co. sein – und das gelang zumindest auf den ersten Blick erstaunlich gut. Das Gerät bot ein 4096-Farben-Display, polyphone Klingeltöne und eine durchaus moderne Benutzeroberfläche. Nur eine Kamera fehlte – die kam erst mit dem X-6.

Besonders auffällig war die hochwertige Verarbeitung für den Preis. Kein Klappern, keine Spaltmaße zum Durchsehen. In Prepaid-Paketen war das MY X-5 ein echter Kassenschlager – viele Jugendliche bekamen es als erstes „richtiges“ Handy. Auch wenn man heute darüber schmunzelt: Damals war das Teil echt angesagt.

Was das MY X-5 unverwechselbar machte:

  • Farbdisplay mit damals beeindruckender Darstellung
  • Polyphone Klingeltöne für den ultimativen Technobeat aus der Hosentasche
  • Robustes Gehäuse und gute Verarbeitung trotz Kampfpreis
  • Menüführung erstmals „intuitiv“ – wenn man Sagem-Erfahrung hatte

Fazit: Vergessene Ikonen mit bleibendem Charakter

Sagem war nie der Star unter den Handyherstellern – aber vielleicht genau deshalb haben ihre Geräte heute diesen ganz besonderen Retro-Charme. Sie waren kantig, ehrlich, funktional – und auf ihre Art stilbildend für eine Ära, in der „Mobiltelefon“ noch bedeutete: ein Gerät, mit dem man unterwegs wirklich nur telefoniert.

Viele Modelle wie das RC 815 oder das MY X-5 sind längst vom Markt verschwunden, leben aber in Sammlungen, auf Flohmärkten oder YouTube-Rückblicken weiter. Und manchmal auch als nostalgisches Geräusch im Ohr: Hier kannst du dir einen originalen Sagem Klingelton herunterladen und dich zurück in eine Zeit versetzen, in der Handys noch Charakter hatten.